
Am 2. Juli wird der Oratorienchor in einem Kinderkonzert Teile aus Carl Orffs Carmina Burana aufführen. Rudolf Herfurtner, der Autor des gleichnamigen Musikbilderbuchs wird dazu aus seinem Buch lesen. Dem Oratorienchor hat er einige Fragen beantwortet.
Sie sind selbst Chorsänger. Was bedeuten Probenarbeit und Chorkonzerte für Sie?
Für mich war das immer eine großartige Ausgleichstätigkeit. Als Schriftsteller sitze ich ja einen Großteil des Tages allein am Schreibtisch. Als Sänger erlebe ich aber, was mir allein nicht möglich ist: das Zusammenklingen mit anderen. Ich singe einen Ton und du singst einen Ton. Zusammen sind es mehr als zwei Töne. Es ist ein Klang. Zusammensein mit anderen Menschen und der Musik ist für mich ein großes Glück.
Welche Erfahrungen verbinden Sie selbst mit Carl Orffs Carmina Burana?
Die Carmina Burana sind das erste klassische Werk, das ich erleben durfte. Ich bin in einer Umgebung aufgewachsen, in der es keine klassische Musik gab. Zu Hause hörten wir deutsche Schlager und Volksmusik. Als ich dann ins Gymnasium kam, führten wir im Chor die Carmina Burana im Rathaussaal meiner Heimatstadt auf. Das hat sich mir ein Leben lang eingeprägt. In dem Chor, in dem meine Frau und ich singen, haben wir die Carmina schon oft aufgeführt, unter anderem mit meiner Tochter Hanna Herfurtner, die Sängerin ist und das Sopransolo gesungen hat.
Die Komposition Orffs erschließt sich Kindern wegen seiner Texte in fremden Sprachen nicht unmittelbar. Wie sind Sie dazugekommen, sie für Kinder aufzuschließen?

Für den Verlag habe ich schon viele Musikbilderbücher geschrieben. Sie können von Kindern zunächst betrachtet und durchgeblättert werden. Vielleicht bekommen sie beim Lesen auch Lust, diese Musik zu hören. Das ist das Ziel. Unser Projekt, das wir zusammen machen, schafft aber noch mehr. Es bringt Text und Musik live auf die Bühne. Es ist wie das Buch vorzulesen und zugleich in die Oper zu gehen.
Was haben Sie beim Schreiben der Geschichte besonders beachtet?
Als Autor vieler Bücher frage ich mich immer: Wie erschließe ich zum Beispiel Verdis Aida oder Wagners Rheingold den Kindern? Ich stelle mir dann vor: Als Papa oder Opa war ich am Abend im Konzert oder in der Oper. Am nächsten Tag fragt mich das Kind: „Wo warst du und was hast du gehört?“ Da möchte ich nicht antworten: „Ach, das ist nichts für dich“.
Um einen Zugang für die Kinder zu schaffen, wähle ich dafür eine Rahmenerzählung. So kann ich lateinische oder – in der Oper – italienische Texte einführen, die nicht für Kinder geschrieben sind. Bei der Carmina sind Rhythmus und Klang besonders eindrücklich, der Text ist vielleicht gar nicht so wichtig. Als Textautor tut mir das zwar ein wenig weh, aber deshalb erzähle ich diese Geschichte.
Wie kann es gelingen, dass Kinder, die von ihren Familien nicht angeregt worden sind, klassische Musik zu erleben und Konzerte zu besuchen, sie doch für sich entdecken? Und welchen Gewinn haben sie davon?
Wenn die Eltern die Klassik nicht vermitteln können, ist die Schule in der Pflicht. An meiner eigenen Geschichte kann man sehen, wie wichtig es war, dass ich in der Schule die Gelegenheit bekam, diese Musik aufzuführen. Wie sollen Kinder sich für ihre Musik entscheiden, wenn ihnen diese Musik vorenthalten worden ist? Wie sollen sie frei wählen, wenn sie Klassik nie gehört haben? Ich finde übrigens, dass ein Chor wie der Ihre in Ihrer Stadt einen Auftrag hat. Wir brauchen nicht nur Konzerte für Erwachsene, sondern auch für Kinder. Unser gemeinsames Konzertprojekt ist eine vorzügliche Idee.